Was bisher geschah - Geschichtspodcast XX
[0] Moin zusammen, heute machen wir mal einen Abstecher in ein anderes Podcast -Genre.
[1] Wir bleiben natürlich der Geschichte treu, aber wir schildern euch heute einen echten True -Crime -Fall aus der Vergangenheit.
[2] Genauer gesagt aus dem 19.
[3] Jahrhundert.
[4] Und Nils, du hast den für uns recherchiert.
[5] Ja, also stell dir vor, einen schönen Maitag im Jahr 1828.
[6] Und zwar Pfingstmontag dieses Jahres.
[7] Das ist der 26.
[8] Mai.
[9] Und da sind wir in Nürnberg.
[10] Nürnberg ist damals eine der wichtigsten deutschen Städte.
[11] Sieben Jahre später wird heute die erste deutsche Eisenbahnlinie starten.
[12] Und an diesem Tag, aber an dem Pfingstmontag, ist es da etwas leerer.
[13] Da ist es nicht so betriebsam, weil die Leute nutzen das schöne Wetter und den freien Tag für Ausflüge in die Umgebung.
[14] Das heißt, die große Stadt ist eher leer.
[15] Und dann am Nachmittag gegen 16 Uhr, da ereignet sich etwas, was die Zeitgenossen doch sehr, sehr lange...
[16] und uns fast bis heute beschäftigen wird.
[17] Denn da spazieren zwei befreundete Schuhmacher über einen Platz, den Unschlittplatz.
[18] Der ist wenig belebt, südlich der Pegnitz.
[19] Den gibt es übrigens noch heute, kannst du noch besichtigen.
[20] Und diese beiden Schuhmacher, die sind, weil diese Ereignisse so wichtig waren, auch mit Namen überliefert.
[21] Das sind die Meister Weikmann und Beck.
[22] Und die gehen da an einer Ecke vorbei und sehen einen 16 -jährigen Jungen.
[23] Und der ruft diese beiden bestandenen Handwerksmeister mit He Bur.
[24] Also er spricht im Dialekt und spricht sie an wie Kinder.
[25] Die beiden haben den Jungen noch nie gesehen und der wirkt ein bisschen seltsam, hilfsbedürftig, unsicher.
[26] Aber stellen ihm dann Fragen, wie er heiß vorher herkommt und so.
[27] Aber von ihm ist wenig zu erfahren, nur eben er sagt, dass er aus Regensburg kommt.
[28] Also bis jetzt erscheint mir das noch nicht als dieses große Ereignis, das die Zeitgenossen so lange beschäftigen wird, aber ich denke, da kommt noch was.
[29] So kann man sich täuschen, so kann man sich täuschen.
[30] Schon sein Aussehen damals, wie die Zeitgenossen ihn dann beschrieben haben, ist sehr auffällig, er trägt ein.
[31] gefütterten Filzhut, der innen aber mit gelber Seide ausgeschlagen ist und eine graue Bauernjacke, die aber gar keine Bauernjacke ist, sondern in Wahrheit ein Frack, der umgeschneidert wurde, den man also hinten diese Enden abgeschnitten hatte, umgearbeitet und graue Reithosen.
[32] Außerdem hat er so allerlei Zeug dabei, ein Schnupftuch, ein Rosenkranz, fromme Broschüren, aber ansonsten überhaupt kein Gepäck.
[33] Und dann, ganz wichtig, hält er einen Brief in der Hand.
[34] Und den lässt er auch nicht los.
[35] Die Meister sagen, gib mir mal her, was hast du denn da?
[36] Aber er gibt ihn nicht aus der Hand.
[37] Sie können nur lesen, an wen es adressiert ist, nämlich an den Rittmeister der Schwolischen.
[38] Schwolischen ist im bayerischen Dialekt, die Chevalier, also die Kavallerie.
[39] Und das war so eine Elite -Truppe.
[40] Ein Regiment war auch tatsächlich in Nürnberg stationiert.
[41] Also zeigen die beiden Meister dem Jungen den Weg zum Haus des Rittmeisters.
[42] Von Wessenich.
[43] Und da kommt natürlich der Meister nicht selbst zur Tür, sondern ein Bediensteter.
[44] Und dem sagt dieser fremde Junge einen Satz, den er im Laufe der folgenden Tage immer wieder wiederholt.
[45] Ich möchte ein solcher Reiter werden, wie mein Vater einer gewesen ist.
[46] Und viel mehr ist von ihm auch nicht zu erfahren.
[47] Also ein großes Rätsel.
[48] Es wird noch größer.
[49] Man befragt ihn, er klagt über Schmerzen an den Füßen, hat er üble Blasen an seinen Sohlen.
[50] Er kann sich nur ganz schlechtgehend fortbewegen.
[51] Und gut, weil es damals keine Klinik gibt für solche Fälle, bringt man ihn erstmal zur Polizei.
[52] Da wird er weiter befragt, er wiederholt immer wieder den Satz, ich möchte ein solcher Reiter werden, wie mein Vater gewesen ist.
[53] Er sagt das in einem altbayerischen Dialekt.
[54] In Nürnberg ist man ja in Franken.
[55] Das heißt, er klingt schon gar nicht wie von dort.
[56] Wir versuchen mal nicht, das nachzumachen.
[57] Ich glaube, keiner von uns beiden ist...
[58] Ich bin so schlecht im Dialekte nachmachen.
[59] Okay, aber er sagt immer dasselbe.
[60] Er sagt immer dasselbe.
[61] Und dann irgendwann kommt jemand auf die Idee und gibt ihm eine Schreibfeder und einen Bogen Papier.
[62] Das kennt er, darüber freut er sich.
[63] Und er greift die Feder des Papiers und schreibt in einem Zug.
[64] Einen Namen, Kaspar Hauser.
[65] Den kenne ich natürlich, den Namen.
[66] Und innerhalb weniger Wochen und Monate wird das der bekannteste Name in ganz Deutschland, ja in ganz Europa.
[67] Ja, ich muss gestehen, mit dieser Geschichte, da löst du bei mir eine Kindheitsangst aus, weil bei meinen Großeltern früher, da lag ein Buch herum über mysteriöse Kriminalfälle aus der Geschichte.
[68] Da habe ich, wie ihr euch denken könnt.
[69] eifrig drin geblättert und gelesen und da war eben auch die Geschichte von Kaspar Hauser drin.
[70] Und ich will jetzt hier nicht spoilern, aber ich hatte immer große Angst.
[71] Also ich bin natürlich jetzt erwachsen, ich versuche diese Angst jetzt zu unterdrücken und du führst mich da jetzt mal durch.
[72] Also es ist ein ganz rätselhafter Junge, der seinen Namen kennt, aber sonst weiß man nicht viel über ihn.
[73] Genau, heute wissen wir natürlich unendlich viel mehr.
[74] Denn Kaspar Hauser hat eine Bio -Bibliografie, also die Anzahl der Bücher, Texte, Aufsätze, Artikel, die über ihn erschienen ist, die ist fast so umfangreich wie die von Jesus oder von Mozart oder von Karl Marx.
[75] Das heißt, er ist bestimmt die Person im 19.
[76] Jahrhundert, über die die Menschen sich die meisten Gedanken gemacht haben.
[77] Und das geht eigentlich noch bis in unsere Zeit.
[78] Denn so noch vor wenigen Jahren wurde von internationalen Teams eine Erbgutanalyse durchgeführt, um mehr über ihn zu erfahren.
[79] Um diese simple Frage zu beantworten, die sich damals am Pfingstmontag 1828 in Nürnberg zum ersten Mal stellte, wer ist der Mann?
[80] Ich bin Nils Minkmar.
[81] Ich bin Joachim Telgenbüscher und das ist Was bisher geschah von Wondery.
[82] In dieser Folge geht es um Kaspar Hauser, den mysteriösesten Deutschen des 19.
[83] Jahrhunderts.
[84] Ein junger Mann, der eines Tages in Nürnberg auftaucht, ohne zu wissen, wo er herkommt.
[85] Seine Herkunft ist ein Rätsel und seine Geschichte bringt die erste moderne Verschwörungstheorie hervor.
[86] Ist er der rechtmäßige Thronfolger eines Fürstenhauses, der entführt und versteckt wurde?
[87] Oder ein einfacher Bauernjunge mit einer spektakulären Erzählung?
[88] Wir schauen uns an, warum die Menschen seiner Zeit in Kasparhauser ein Symbol sahen und was uns dieser Fall über die Macht von Geschichten sagt.
[89] Erinnerst du dich noch an Knut, den kleinen Eisbären?
[90] Ich erinnere mich sehr gut daran.
[91] Ich war nämlich zu dieser Zeit, ich glaube es war 2007, kann das sein, in Berlin und habe mich darüber geärgert, dass mein Lieblingsbiergarten hinter dem Zoo immer so voll war, weil natürlich dann die Leute, die sich den Knut angeguckt haben, da auch nochmal eingekehrt sind.
[92] Ist aber in diesem Zusammenhang eine sehr gewagte Abzweigung, die du hier genommen hast.
[93] Jetzt erzähl mal.
[94] Was hat das mit Knut auf sich?
[95] Ja, mich hat diese Geschichte von Kaspar Hauser tatsächlich an Knut, das Eisbärbaby, erinnert, weil der wurde ja eine ganze Weile eben auch zu einem Symbol für den Kampf gegen schmelzende Pole, gegen Umweltzerstörung, wurde fotografiert.
[96] Es gab sogar einen Song mit dem tollen Titel Knut ist gut und eine Briefmarke, Dokuserie im RBB.
[97] Sigmar Gabriel, die Älteren werden sich erinnern, unser einzigen Umweltminister, hat sich mit ihm ablichten lassen.
[98] Okay, und dann wurde, wie das halt so geht, aus diesem Bärenbaby ein ausgewachsener Bär.
[99] Und ja, da hat sich dann zum Beispiel die Karpfen, die man da in seinem Wassergraben hatte, um die Algen zu fressen, die hat er sich rausgefischt und hat die verspeist.
[100] Das kam schon nicht so gut an.
[101] Er hat nur seinen Job gemacht als Eisbär.
[102] Ja, er hat seinen Job gemacht, aber ausgewachsen war er eben nicht mehr so sweet wie als kleines Baby.
[103] Und dann starb er auch nur mit nur vier Jahren und war dann schon halb vergessen.
[104] Und das erinnert mich irgendwie an unseren heutigen Fall, denn er war als Kasper Hauser Auftritt und noch so ein unbedarfter Schützling war, der von der modernen Zivilisation nichts kannte, nicht gehen konnte, der nicht alle möglichen Qualitäten aufwies, auf die wir noch kommen.
[105] Und da schrieb sein späterer Mentor, der Jurist Anselm von Feuerbach, damals auch sehr berühmter Mann.
[106] dass er so besucht wurde und so viel Zuspruch erfuhr wie ein Känguru und eine zahme Hyäne im Tierpark von Arten.
[107] Das heißt, die Leute, er war untergebracht in so einer städtischen Wohnung in Nürnberg und die Leute konnten einfach hingehen und haben ihn besucht, bestaunt, bemitleidet.
[108] Und andere haben ihn aber natürlich auch vermessen, haben Tests mit ihm durchgeführt und alles Mögliche.
[109] Aber ein gutes Ende nahm es trotz all der Zuwendungen nicht.
[110] Denn am 14.
[111] Dezember 1833 wurde er tödlich verletzt und sein Leben nahm.
[112] Ein vorzeitiges Ende.
[113] Ja, dieses grausame Ende, das er da gefunden hat, das ist der Grund, warum ich damals als Kind Angst hatte, als ich diese Geschichte zum ersten Mal gelesen habe.
[114] Aber wir kommen sicherlich noch darauf, was es mit diesem brutalen Ende auf sich hat.
[115] Also wir haben eben gehört, er wird da aufgegriffen, dann wird er angestarrt.
[116] War das eine Besonderheit oder ist das öfters vorgekommen, dass da so rätselhafte junge Leute aufgetaucht sind?
[117] Heute sind wir in großen Städten irgendwie dran gewillen, dass das unbegleitete Jugendliche kommen, die den Flucht - und Migrationsbewegungen der Zeit ja irgendwie mitreisen und die ohne Eltern kommen und deren Identität schwer festzustellen ist.
[118] Aber in der frühen Neuzeit, komischerweise, das ist so gegenintuitiv, wenn man denken würde, damals gab es ja viel weniger Technik, war das ganz selten.
[119] Weil ein Kind kam da nicht einfach so weg.
[120] Es gibt ja dieses Kinderbuch von Hillary Clinton.
[121] It takes a village to raise a child.
[122] Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.
[123] Und so war das damals auch.
[124] In diesen vormodernen Gesellschaften wusste man eigentlich, wo die Kinder herkommen und wo sie hingehen.
[125] Jeder hatte so seine Papiere.
[126] Waisen kamen eben ins Waisenheim und der Obdruck der Kirche.
[127] Es wurden auch die Bücher ordentlich geführt.
[128] Das heißt, wenn jemand ein Azubi bei der Lehrstelle fehlte, ein Schüler nicht mehr zur Schule ging.
[129] Dann wurde das gemeldet, das war dann bekannt.
[130] Aber bei Kaspar Hauser hat man diese Information nicht und er hatte nur diesen einen Brief.
[131] Das Papier, ich wollte gerade fragen, weil du hast ja dieses Schriftstück erwähnt, das er nicht losgelassen hat.
[132] Was stand da denn drin?
[133] Das ist verfasst auf einer verschriftlichen bayerischen Mundart und ist einer der berühmtesten.
[134] Briefe des 19.
[135] Jahrhunderts.
[136] Aber wir haben eine hochdeutsche Fassung, die ich vortrage.
[137] Also datiert von der bayerischen Grenze.
[138] Der Ort ist unbenannt, 1828.
[139] Ist ein anonymer Brief an den Chef der Nürnberger Kavallerie, hochwohlgeborener Herr Rittmeister.
[140] Ich schicke Ihnen einen Knaben, der seinem König treu dienen möchte, wie er es verlangt hat.
[141] Dieser Knabe wurde mir am 7.
[142] Oktober 1812 übergeben.
[143] Ich selbst bin ein armer Tagelöhner und habe bereits zehn Kinder.
[144] Ich habe genug zu tun, um selbst über die Runden zu kommen.
[145] Seine Mutter hat mir das Kind nur zur Erziehung übergeben, aber ich konnte die Mutter nicht ausfindig machen.
[146] Ich habe diesbezüglich nichts gesagt, auch nicht dem Landgericht, das mir der Knabe übergeben wurde.
[147] Ich habe mir gedacht, ich müsste ihn als meinen eigenen Sohn behandeln, habe ihn christlich erzogen und seit 1812 keinen Schritt weit aus dem Haus gelassen, sodass niemand weiß, wo er erzogen wurde.
[148] Ja, mysteriös.
[149] Der Brief geht noch eine ganze Weile weiter.
[150] Es gibt eine Passage, die ich ganz berührend finde.
[151] bittet dieser anonyme Schreiber eben den Adressaten, den Jungen nicht zu traktieren.
[152] Das heißt, nicht zu schlagen, nicht zu foltern, weil er wirklich der Junge nicht mehr weiß.
[153] Er kennt die Identität nicht des Mannes, der ihn da erzogen hat und weiß auch nicht, wo das war.
[154] Dann hat Kaspar Hauser noch einen zweiten, einen kürzeren Zettel mit sich in die Geschichte eingegangen als der Magdeline -Zettel, weil er von einer Frau geschrieben sein soll.
[155] Der kommt ohne Anrede, der ist viel kürzer.
[156] Da steht ...
[157] Das Kind ist bereits getauft.
[158] Es heißt Kaspar.
[159] Auch sehr wichtig in der Zeit.
[160] Ja, genau.
[161] Die macht sich Gedanken.
[162] Kind ist bereits getauft.
[163] Es heißt Kaspar.
[164] Einen Schreibnamen müssen Sie ihm selbst geben.
[165] Also er hat keinen Familiennamen.
[166] Das Kind sollen Sie aufziehen.
[167] Sein Vater war ein Soldat schwulischer.
[168] Also ein Reiter.
[169] Wenn es 17 Jahre alt ist, schicken Sie es nach Nürnberg zum 6.
[170] Schwulischen Regiment.
[171] Dort war auch sein Vater.
[172] Ich bitte um die Erziehung bis zum 17.
[173] Lebensjahr.
[174] Geboren ist es am 30.
[175] April 1812.
[176] Ich bin ein armes Mädchen und kann das Kind nicht ernähren.
[177] Sein Vater ist gestorben.
[178] Also da sind ja schon ein paar, wenn auch vage Anhaltspunkte, die könnte man ja benutzen, um...
[179] die Identität festzustellen.
[180] Die Nürnberger Obrigkeit versucht das auch.
[181] Man nimmt das sehr ernst.
[182] Man nimmt dieses plötzlich aufgetauchte Kind.
[183] Das ist wirklich eine Sensation.
[184] Die Obrigkeit tut wirklich ihre Pflicht und macht eben Steckbriefe.
[185] Wer weiß, etwas über einen Jungen, der dann und dann verschwunden ist.
[186] Du hast ja gesagt, dich erinnert der Fall an Knut.
[187] Mich erinnert das eher an so Fälle, die vor einigen Jahren durch die Nachrichten gingen.
[188] Erinnerst du dich noch an den Pianomann?
[189] Ja, genau.
[190] durch Nest im Anzug in England aufgetaucht ist und dann angeblich nur Klavier gespielt hat und geschwiegen hat.
[191] Da hat man später dann auch die Identität festgestellt.
[192] Oder es gab sogar auch in Berlin, ich glaube so 2012 war das, den Waldjungen Ray.
[193] Den hat man auch den Kaspar Hauser von Berlin genannt, der sich auch als minderjähriger Weise ausgegeben hat, der mit seinem Vater jahrelang im Wald gelebt hat, bis dann der Vater gestorben ist.
[194] Da steckt ja auch eine andere Geschichte dahinter.
[195] Es ist auf jeden Fall so, dass das fasziniert die Menschen, diese rätselhaften Erscheinungen.
[196] Ja, woher das kam, darauf kommen wir noch zu sprechen, was das für eine Zeit war und wie das Klima so war.
[197] Aber erst mal.
[198] Geht ja der Rat sehr planmäßig vor, also wenn man nichts hat, keine äußeren Infos, dann muss man sich halt den Jungen selbst angucken.
[199] Und dann entdeckt man schon zwei Impfnamen an seinen Armen.
[200] Wahrscheinlich gegen die Pocken.
[201] Ganz genau, eine Pockenimpfung.
[202] Und in Bayern gab es damals schon die ganze Zeit schon die Pockenimpfpflicht.
[203] Also wird er wahrscheinlich in Bayern zur Welt aufgezogen worden sein.
[204] Und ja, dann machen sie allerlei Tests, weil er eben so ein unzivilisiertes Kind ist.
[205] Und damals ist der Magnetismus ja ein großes Thema.
[206] Also nähert man sich hinter seinem Rücken mit Magneten, um zu gucken, ob er das spürt.
[207] Umgekehrt fuchtelt man so vor seinem Gesicht mit spitzen Säbeln und mit Dolchen herum.
[208] Und er lächelt nur und scheint überhaupt nicht zu wissen, dass man sich damit verletzen kann.
[209] Die Sohle der Füße ist ganz weich, hat gar keine Hornhaut, ist also in seinem Leben nicht viel gegangen oder gelaufen.
[210] Und so langsam entwickelt sich der Gedanke, der im 19.
[211] Jahrhundert echt populär war, nämlich, das ist ein Mensch, der noch nicht verdorben ist von der Zivilisation.
[212] Ein Mensch, wie wir ihn im Urzustand sehen.
[213] Das erregt auf der einen Seite Mitleid, der Junge ist ja irgendwie ohne Eltern groß geworden.
[214] Aber auf der anderen Seite weckt das auch so ein Forscherdrang.
[215] Was ist der Mensch, wenn man ihn so in seinem Urzustand verlässt?
[216] Bist du bei deinen Recherchen über den Begriff Kaspar -Hauser -Versuch gestolpert?
[217] Das ist eine Art von Experiment aus der Verhaltensbiologie, wo man Tiere aufzieht, ohne sie irgendwelchen Erfahrungen auszusetzen, auch ohne Artgenossen und so weiter, um zu gucken, was ist sozusagen angeboren, was entwickelt sich im Kontakt mit äußeren Einflüssen.
[218] Eine Frühform dieser Experimente soll angeblich der Stauferkaiser Friedrich II.
[219] im Mittelalter durchgeführt haben.
[220] Er wollte nämlich wissen, welche Sprache Kinder sprechen, wenn man ihnen keine Sprache vorgibt.
[221] Also wenn die Amme zum Beispiel nicht mit ihnen Deutsch oder Französisch spricht.
[222] Und angeblich sind diese Kinder alle gestorben, sind alle verkümmert, weil ihnen der Austausch mit Menschen gefehlt hat.
[223] Also die wurden halt aufgezogen, ohne dass man mit ihnen gesprochen hat und so weiter.
[224] Ist eine Legende.
[225] Aber auch da in der Bezeichnung hat Kaspar Hauser Spuren hinterlassen.
[226] Es gibt fast kaum eine Disziplin im 19.
[227] Jahrhundert, die sich nicht irgendwie mit ihm beschäftigt hat.
[228] Man hat auch festgestellt, dass eine einzelne Weintraube ihn schon betrunken machen kann.
[229] Und dass er aber für alle Tiere nur einen Namen hat, nämlich Ross.
[230] Also er war echter Pferdenau.
[231] Diese Reitergeschichte, wie die Jungs heute mit Autos spielen würden.
[232] Und er konnte stundenlang mit so einem Holzpferd spielen auf dem Boden.
[233] Die Polizei hat ihm da immer so eins hingestellt.
[234] Das hat er dekoriert und so weiter.
[235] Und er nannte alles Ross.
[236] Außenwelt war nicht so sein Ding.
[237] Wenn er aus dem Fenster geschaut hat, den Ausblick gezeigt hat, dann hat er immer gesagt, das ist garstig.
[238] Er will nur den Innenraum genießen.
[239] Und es gab so allerlei Anekdoten, die die Leute...
[240] da notiert hatten.
[241] Einmal hat er so eine Statue gesehen, die mit Moos bedeckt war und hat dann gefragt, warum sich diese Person nicht wäscht.
[242] Also er hatte offenbar Schwierigkeiten, Belebtes von Unbelebten zu unterscheiden.
[243] Und das sind solche Anekdoten, die ihn ja zu einem absoluten Promi werden lassen.
[244] Das Interesse ist sehr, sehr hoch, auch beim Bürgermeister von Nürnberg, Jakob Friedrich Binder.
[245] Und der auch in dieser Zeit zu einem Forschergeist, einem detektivischen Spürsinn verfiel und der immer wieder mit ihm geredet hat, mit Kaspar Hauser geredet hat und irgendwann dann einen Bericht verfasst hat über diese Gespräche, was er herausgefunden hat.
[246] Den veröffentlicht er am 7.
[247] Juli 1828 und da zeichnet er schon ein Bild, was prägend sein wird für diese ganze Story.
[248] Kaspar Hauser schildert so eine Art, eine Unterbringung, eine Art Kerker, aber kein elender Kerker, kein Feuchter, sondern ja ein Raum wie in einem Schloss mit einem Fenster und trocken.
[249] Dort sei er in halbliegender Stellung fixiert gewesen, angekettet oder festgebunden und die meiste Zeit hat er geschlafen und da im Schlaf sei ihm Haar und Nägel geschnitten worden.
[250] Und er sei versorgt worden durch einen maskierten Mann, den er nie gesehen hat.
[251] Zur Gesellschaft, zum Spielen hat er nur das Holzpferd gehabt.
[252] Und dieser Mann, der ihm in der Tat hat, hat ihm auch Lesen und Schreiben beigebracht.
[253] Über diesen Mann übrigens ganz wichtig, hat sich Kaspar Hauser nie negativ geäußert.
[254] Also er hatte nie das Gefühl, dass man Verbrechen an ihm begeht oder dass das sein Kerkermeister war, sondern er hat sich da immer mit Respekt oder Zuneigung.
[255] Naja, er wusste ja auch nicht, wie es anders geht.
[256] Für mich ist das eine ziemlich gruselige Vorstellung, da im Keller praktisch aufgezogen zu werden.
[257] Und ja gut, für Kaspar Hauser war es Normalität, aber es hat ja offensichtlich auch Spuren an ihm hinterlassen.
[258] Er war ja nicht voll entwickelt in dem Sinne.
[259] Genau, er war nicht voll entwickelt.
[260] Allerdings war es jetzt die heutige Forschung über kindliche Entwicklung, dass er für eine solche Haltung...
[261] viel zu fit war.
[262] Also das hätte ganz andere Schäden noch hervorgebracht.
[263] Und so wie er sich gibt und schreiben kann, sich verständigen kann, in Kontakt treten kann mit anderen Menschen, das wäre eigentlich nach dieser Vorgeschichte gar nicht möglich gewesen.
[264] Aber der Bericht ist in der Welt.
[265] Und der Bericht hat viele, viele Elemente, die jetzt wirklich die Imagination, die Fantasie und den detektivischen Eifer der Zeitgenossen freisetzen.
[266] Was ist mit dem Jungen los?
[267] Woher kommt er?
[268] Was sind das für Umstände?
[269] Da kommt dieser Geist der Zeit speziell hinzu, denn du weißt ja 1828, das war doch eine komplizierte Epoche, das war nach dem Wiener Kongress.
[270] Nach der Niederlage von Napoleon, darüber haben wir ja schon gesprochen in unserem riesigen Dreiteiler, Napoleon hat dann doch verloren und die Großmächte, also Russland, Großbritannien, Österreich und Preußen haben dann sich zusammengesetzt und überlegt, wie sie den Kontinent neu ordnen können.
[271] Alles unter der Maßgabe sozusagen Ruhe schaffen nach diesen großen Umwälzungen der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege.
[272] Und es ist eine Zeit der Restauration, also wo die Uhr ein bisschen zurückgedreht wird, wo auch Leute sich eher vielleicht ins Privatleben zurückziehen und nicht große Politik machen.
[273] Zugleich aber natürlich auch der Vormärz, also wo sich dann die späteren...
[274] Revolution schon ankündigen.
[275] Ja, eine interessante Zeit.
[276] Eine interessante Zeit, aber es gibt auch ja das aufgeklärte Bürgertum.
[277] Es gibt Zeitschriften, Zeitungen, es gibt die Salons.
[278] Das heißt, die Revolution ist geschehen, aber das, was wir die öffentliche Meinung nennen, wird ganz stark kontrolliert.
[279] Nichts über Politik, nichts über Gerechtigkeit, nichts über Vermögensungleichheiten und so weiter.
[280] Es gibt auch ein echtes Netz von Geheimagenten, also die waren da wirklich sehr hochlos unterwegs.
[281] Geburt des modernen Polizeistaats auch in dieser Zeit, also auch in Mitteleuropa, genau, das gehört alles dazu.
[282] Ja, man braucht Themen über irgendwas, müssen die Zeitungen ja berichten, über irgendwas muss ja auch geredet werden.
[283] Und da eignet sich natürlich, heute würden wir sagen, die weichen Themen.
[284] Und Kaspar Hauser ist so am Mittelpunkt von allen möglichen Fragen der Zeit.
[285] Was ist da geschehen?
[286] Was könnte dem Jungen passiert sein?
[287] Wer könnte dahinter stecken?
[288] Das heißt, man hat auch viel Zeit.
[289] Und Kaspar Hauser ist der ideale Promi und der ideale Fall, um sich da Gedanken zu machen.
[290] Bei jedem geht sozusagen die Imaginationsmaschine direkt los.
[291] Dann gibt es eine ganz praktische Frage.
[292] Was macht man mit den Jungen?
[293] In der frühen Neuzeit wohnt man entweder bei seiner Familie, im Arbeitsplatz, beim Militär, Kloster oder Gefängnis.
[294] Das sind so ungefähr die Möglichkeiten für so einen Jungen.
[295] Aber für Hauser, der ja...
[296] gar nicht richtig integriert ist in die Gesellschaft, der auch nur ganz beschränkte Fähigkeiten hat, kommt nichts davon in Frage.
[297] Er kommt also in Nürnberg zu einem Lehrer, Georg Friedrich Daumer, der früh pensioniert ist, wegen einer Nervenkrankheit.
[298] Und der hat so einen Hang zu Experimenten, ist ein Herr der Homöopathie und macht mit Hause seine Erfahrungen, seine Ambitionen.
[299] Kaspar Hauser entwickelt sich eigentlich ganz gut.
[300] Also er kann bald schreiben, lesen, basteln, er kann sehr gut tanzen.
[301] Aber natürlich, je normaler er wird, desto schwieriger wird er.
[302] Er ist ja ein Teenager, das heißt, er schwänzt schon mal seine Privatstunden, er lügt schon mal, was er macht, er lässt die ganze Nacht das Licht brennen, verhält sich wie ein ganz normaler Teenager.
[303] Also mein Sohn ist 17, da haben wir auch alle solche Themen.
[304] Das führt dazu, da sind wir wieder beim Phänomen Knut.
[305] Das ja nach einer gewissen Weile irgendwie, okay, so ein normaler, das ist jetzt alles nicht so besonders für sich entwickelt.
[306] Er ist da in Nürnberg zwar bekannt und integriert, aber das Interesse lässt dann irgendwann auch nach.
[307] Und Hauser wird uninteressant.
[308] Bis zu einem Datum, das ist der 17.
[309] Oktober 1829, da erwartet man ihn bei den Daumers im Speisezimmer zum Mittagessen, aber kein Hauser kommt.
[310] Wo ist Hauser?
[311] Wo treibt sich Hauser rum?
[312] In der frühneuzeitlichen Großfamilie wird alle Speisen gemeinsam eingenommen.
[313] Das heißt, man sucht ihn und findet sein Zimmer aber leer und findet stattdessen Blutspuren.
[314] Die führen bis in den Keller, bis unter einer Klappe.
[315] Und da liegt er verwundet am Boden.
[316] Was ist passiert?
[317] Kaspar erzählt die Geschichte so gut er kann.
[318] Er sagt, er war auf dem Klo.
[319] Auf dem Abtritt.
[320] Und da sei er überfallen und verletzt worden, dem Gegenstand aus Metall.
[321] An der Stirn verletzte, dass er stark blutete.
[322] Und da hörte er den Satz, du musst doch noch sterben, ehe du aus der Stadt Nürnberg kommst.
[323] Und die Stimme dazu, die kannte er sehr gut.
[324] Denn sie gehörte dem Mann, der ihn all die Jahre gefangen gehalten hat.
[325] Wer hat die beste Fußball -Podcast?
[326] 50 plus 2.
[327] Wer hat die beste Spieltagsanalysen?
[328] 50 plus 2.
[329] 50 plus 2 ist der Podcast von Fußballfans für Fußballfans.
[330] Hier besprechen wir jeden Montag und Donnerstag die wichtigsten Spiele der Bundesliga, 2.
[331] Liga und Champions League, die größten Transfers, wildesten Gerüchte und heißesten Themen, die den Fußball gerade beschäftigen.
[332] Moment, hast du jetzt schon was aufgenommen?
[333] Ja.
[334] Du hast keinen Fajal gemacht, oder?
[335] Nee, natürlich nicht.
[336] 50 plus 2, der Fußball -Podcast eures Vertrauens.
[337] Jeden Montag und Donnerstag, überall, wo es Podcasts gibt.
[338] Ja, wir sind immer noch dem Rätsel von Kaspar Hauser auf der Spur im Jahr 1828.
[339] Da ist dieser mysteriöse Jüngling.
[340] heute würde man sagen Teenager, in Nürnberg aufgetaucht.
[341] Und man hat versucht herauszufinden, wer er ist, wo er herkommt.
[342] Es war auf jeden Fall eine Sensation und viel diskutiert.
[343] Aber es ist rätselhaft geblieben.
[344] Und umso mehr, weil im Jahr 1829, also gut ein Jahr, nachdem er zum ersten Mal entdeckt worden ist, hat irgendjemand einen Attentat auf ihn verübt.
[345] Das hat er überlebt.
[346] Ja, das fügt dieser Rätselgeschichte noch eine ganz andere Dimension hinzu.
[347] Es wird nämlich dann auch politisch.
[348] Also das ist vielleicht ein Punkt, den ich ganz kurz noch einmal erklären muss.
[349] Also Nürnberg, das liegt in Bayern, gestern wie heute, aber Bayern ist immer noch ein unabhängiges Königreich.
[350] Heute auch noch.
[351] Ja, manche sagen heute immer noch, Markus Söder.
[352] Und es führt aber auch eine Spur, das werden wir gleich hören, nach Baden.
[353] Und Baden, das ist das, was wir heute die Rheinschiene nennen.
[354] Ich würde mal sagen so grob von Karlsruhe nach Freiburg, liebliche Gegend.
[355] Und das ist zu dieser Zeit ein Großherzogtum, also auch ein unabhängiger Staat.
[356] Innerhalb des Deutschen Bundes, es ist ja so der lose Zusammenschluss der deutschen Staaten, einen geeinten Nationalstaat gibt es ja noch nicht.
[357] Da muss dann erst Bismarck kommen und über den machen wir dann bestimmt auch einen Sechsteiler oder so.
[358] Das ist so ein bisschen die Gesamtsituation und jetzt Nils bist du wieder dran.
[359] Ja genau, du hast es ja schon gesagt, große Empörung, große Anteilnahme auch am Schicksal von Kaspar Hauser.
[360] Wer will diesem Menschen, der ja so als reine Seele bekannt ist, der zu jedem freundlich ist, nie aggressiv und respektvoll sich zeigt, unverdorbene Seele, wer will den umbringen?
[361] Kasper Hauser hat nie jemandem was zu Leide getan, hat kein Vermögen, hat nichts, was sich zu stehlen lohnt.
[362] Wer trachtet ihm nach dem Leben?
[363] Man nimmt das sehr ernst.
[364] Der König von Bayern wird auf den Fall aufmerksam.
[365] Und lässt Hauser umziehen, hat ja keine Familie, sondern wird aus dem Haus des Lehrers entnommen und kommt in das Haus eines Richters und bekommt dort Polizeischutz.
[366] Zwei Beamte sorgen für seine Sicherheit und du hast es schon erwähnt, es bekommt dadurch eine politische Wendung.
[367] Und wie kam es zu der?
[368] Denn dieser Fall Kasper Hauser, der entfaltet sich immer mehr und der strahlt eigentlich bis heute.
[369] Genau wegen dieses Themas.
[370] das wir jetzt besprechen.
[371] Denn einer von den Mentoren von Kaspar Hauser ist ein ganz berühmter Jurist, Anselm von Feuerbach.
[372] Der war damals einer der führenden deutschen Strafrechtsreformer, der engagierte sich gegen die Folter, er wollte also eine humanere Justiz und las sehr viel, ein wirklich moderner, aufgeschlossener Mensch, interessierte sich für Psychologie und hat auch immer geschaut, was hat eigentlich Verbrechen um Psychologie, was haben die gemeinsamen Strafe, Vorbeugung und so weiter.
[373] Und da hat sich auch Kaspar Hauser aus der Nähe ansehen wollen.
[374] Und er geht davor in dem Buch, das er über den Fall geschrieben hat, wie später Sherlock Holmes.
[375] Jetzt hast du mich. Also mit den Mitteln der Logik einfach nachdenken, welche Fakten haben wir und was sagen die.
[376] Also er legt das Puzzle nochmal ganz neu.
[377] Denn wozu, fragt er dann eigentlich, hält man eigentlich so ein Kind gefangen?
[378] Das muss man nochmal dazu sagen.
[379] Die Erinnerung, Kaspar Hauser gibt ja vor, in so einem abgeschlossenen Raum aufgezogen worden zu sein, hatte nur einen Kontaktmann, der, das sagt er angeblich, auch derjenige ist, der da dieses Attentat auf ihn verübt hat.
[380] Jedenfalls hat er die Stimme erkannt.
[381] Genau.
[382] Und wenn von Feuerbach deduziert, also ich meine, es wäre...
[383] Angeblich, das ist eben der Bericht des Bürgermeisters, wurde Kaspar Hauser immer wieder sediert, damit er nicht sieht, was mit ihm geschieht, wenn man ihm die Haare schneidet.
[384] Mit Opium, die Droge dieser Zeit.
[385] Genau, übrigens ganz tolle Droge, sehr wirksam.
[386] Hast du gerade Opium gelobt?
[387] Ja, ich weiß.
[388] Ich habe da keine Erfahrung.
[389] Mein früherer Chef, Hugo Williamson, war großer Opium -Fan.
[390] Es ist nur, wie bei allen Drogen, es ist ja auch tödlich, ein tödliches Gift.
[391] Kleine Nebenwirkung ist tödlich.
[392] Und von Feuerbach fragt, relativ cool, warum, wenn man dieses Kind irgendwie nicht haben wollte, wenn es irgendwie gestört hat, dass man es so der Öffentlichkeit entziehen will, warum gibt man dann nicht noch ein bisschen mehr Opium einfach in diesen Trunk und dann kann man es begraben und ist diese Person losgeworden.
[393] Aber man lässt ihn ja am Leben und nicht nur lässt man ihn am Leben, sondern man lässt ihn für die Zeit relativ guten Umständen am Leben.
[394] Das heißt, er wird gewaschen, er hat Nachttopf, er wird versorgt.
[395] Das heißt, in der frühen Neuzeit gibt es auch ganz andere Verhältnisse, hinter denen Menschen dahin vegetieren müssen, zum Beispiel im Kerker.
[396] Aber bei Kaspar Hauser finden sich zwar natürlich Spuren von Vernachlässigung emotionaler und sozialer Art, aber er wurde nicht geschlagen, er wurde nicht gefoltert oder sonst was.
[397] Das heißt, irgendjemand beschützt ihn zugleich.
[398] Und enthält ihm aber seine Freiheit vor.
[399] Und wer macht das?
[400] Das ist ja fast ein historisches Beispiel für Profiling.
[401] Also so wie du das erzählst, klingt das so, als hätte Feuerbach ja praktisch ein Bild des möglichen Täters oder der Täterin gezeichnet.
[402] Also ganz interessant.
[403] Ganz genau, weil er ist ja viel unterwegs im Lande gewesen, kennt die Verhältnisse auch auf dem Land.
[404] Und da gibt es einfach nicht die Möglichkeit, ein Kind einfach so irgendwo jahrelang von allen anderen Augen.
[405] Versteckt zu halten, meist wurden ja in Großfamilien oder mit Kollegen zusammen in Häusern, dass man da so einzelne Zimmer für sich hat, in die keiner kommt, das gibt es eben in der breiten Masse der Bevölkerung nicht.
[406] Das gibt es eben nur im Hochadel.
[407] Die Täter kommen von ganz weit oben.
[408] Hinzu kommt, dass Kasper Hauser immer wieder auch Elemente von einem Schloss erwähnt, auch mal so ein Schloss malt.
[409] In ganz Nürnberg gibt es aber kein solches Schloss, wie das, auf das er da anspielt.
[410] Nach einem sauberen, nach einem sicheren, nach einem trockenen Verlies, in das wirklich kein Mensch reinkommt und in so ein Kind auch überlebt.
[411] Und warum macht man das?
[412] Das macht einfach nur...
[413] mit Kindern, die etwas Besonderes sind.
[414] Und das können eben Prinzen sein.
[415] Nur muss man wissen, dass die ganze frühe Neuzeit von diesen Geschichten von vertauschten Kindern voll davon ist.
[416] Und auch von Prinzen, es gibt in Frankreich die Legende vom Mann mit der eisernen Maske, ein Bruder des Königs, der vertauscht geworden sein soll.
[417] Das hat die Vorstellungskraft damals ungemein interessiert und angeregt.
[418] Und Feuerbach, das ist eben im 19.
[419] Jahrhundert in dieser Schicht.
[420] Das Bemerkenswerte ist einfach wahnsinnig fleißig.
[421] Diese Leute studieren, schreiben, übersetzen, schreiben Briefe.
[422] Man fragt sich, wann sie das alles machen.
[423] Es gab kein Fernsehen, es gab kein WLAN.
[424] Wir hatten vielleicht mehr Zeit.
[425] Aber er setzt sich hin und sagt, wo fehlt im europäischen Hochadel ein Kind oder mehrere Kinder und recherchiert.
[426] Und er wird fündig.
[427] Er bemerkt, dass im Haus von Baden Großherzog Karl und seine Frau Stéphanie de Boarnay, Fernverwandte von Josephine de Bournais, Napoleons erster Frau, dass die eine Reihe gleich von Jungen zur Welt bringen und verlieren.
[428] Thronfolger.
[429] Und darunter ein im September 1812.
[430] Also verlieren, der kommt denen nicht irgendwie abhanden, so wie ein Hut oder so, sondern das sind Kinder, die früh sterben, was ja auch damals selbst in den reichsten und vornehmsten Kreisen sehr häufig passiert ist.
[431] Richtig.
[432] Aber Feuerbach lässt sich davon nicht so leicht abbringen von seiner Theorie, weil ihm fällt schon auf, dass die Mädchen die Prinzessin überleben.
[433] Nur die Söhne, die sterben.
[434] Und daraus konstruiert er dann, das ist jetzt sehr kompliziert, das ist wirklich was für Adelsforscher, aber in diesem Haus von Baden gibt es sozusagen zwei Linien.
[435] Also es gibt mal eine erste Ehefrau, mal eine zweite Ehefrau von Großherzog Karl Friedrich von Baden.
[436] Und diese zweite Ehefrau heißt Luise Geier von Geiersberg.
[437] Und die hätte die Möglichkeit gehabt und auch ein Motiv, so ein Kind verschwinden zu lassen.
[438] In der Hypothese von Feuerbach kam sie nah genug ran an das Wochenbett, um das gesunde Kind zu entnehmen und es auszutauschen durch ein sterbendes, krankes Kind.
[439] Was man ja immer auch oft zur Hand hat, so ein sterbendes, krankes Kind.
[440] Reiche Hochadlige hätte so ihre Mittel und Wege gehabt.
[441] Das ist eben die Feuerbachsche Theorie.
[442] Wenn ich die nochmal kurz zusammenfassen darf, also es gibt zwei rivalisierende Linien und die zweite Linie sorgt dafür, dass die erste Linie quasi im Mannesstamme, wie es ja so heißt, ausstirbt, damit dann die Vertreter aus der zweiten Linie da den Titel als Großherzog erben.
[443] Genau, das ist im Haus von Baden auch tatsächlich rechtlich so geregelt gewesen.
[444] Das war auch allgemein anerkannt, dass dann die zweite Linie übernimmt, falls es dann jemanden gibt.
[445] Vermutlich ist Feuerbach da auf die Idee gekommen.
[446] Jedenfalls...
[447] stellt er die These in den Raum, dass Kaspar Hauser, der da in Nürnberg am Pfingstmontag auf dem Umstiegplatz erscheint, eigentlich der Erbprinz des Hauses von Baden ist, den man um seine Rechte betrogen hat.
[448] Irgendwo ist es eine sehr komplizierte Konstruktion, weil sie hätte natürlich dann auch dafür sorgen können, dass das Kind stirbt.
[449] Warum lässt man ihm am Leben?
[450] Das heißt, die Feuerbachsche These geht so, dass sich jemand, ein Vertrauter dieser Frau, das Jung angenommen hat zunächst und ihn dann doch nicht umgebracht hat.
[451] Andererseits aber die Rache des Hauses von Baden fürchtet und deswegen eben anonym bleibt und mit dieser Sache nicht an die Öffentlichkeit geht.
[452] Wir leben ja heute im Zeitalter der Genanalyse.
[453] Die Erfindung, glaube ich, so in den 80er Jahren, dass man wirklich Verwandtschaftsverhältnisse durch DNA -Proben feststellen oder eben auch widerlegen konnte.
[454] Das hat man ja bei Kaspar Hauser auch gemacht.
[455] Was ist dabei rausgekommen, ist ja die Frage.
[456] Ohne Ende.
[457] Es gab, ich glaube, drei umfassende Genanalysen.
[458] Bei einer, das findet man noch im Netz, von 1996 ist noch Stefan Aust, damals noch Spiegelchef.
[459] Und die haben also knallhart aus dem Kaspar Hauser Museum in Ansbach eine blutbefleckte Unterhose von Kaspar Hauser analysiert und verglichen mit Proben aus dem Haus von Baden bis heute, Nachfahren von Stéphanie de Boarnay.
[460] Und das gab kein Match.
[461] Andererseits.
[462] Vor den Wissenschaftlern sind sich ja nicht immer einig.
[463] Es gab dann andere, die gesagt haben, das ist nicht richtig durchgeführt worden, beziehungsweise jemand, der das Museum gut kennt, sagt, die haben da auch öfter mal irgendwelches andere Blut drauf gekippt, damit das schön gruselig bleibt für die Touristenscharen, die da kommen.
[464] Das ist also nicht außergewöhnlich.
[465] Aber das habe ich neulich sogar noch gelesen, es ging durch die Nachrichten, man hat jetzt wirklich vor kurzem einen neuen Test durchgeführt und der war eindeutig, also Kaspar Hauser war nicht der verschollene Erbprinz von Baden.
[466] Da hat ja die Gentechnik oder die Genanalyse ein ganzes Genre von, sagen wir mal, Hochstaplergeschichten ausgelöscht, weil es gibt ja auch da noch die berühmte Zarentochter Anastasia, die angeblich die Ermordung durch die Bolschewiki...
[467] überlebt hat.
[468] Anna Andersen hieß sie, glaube ich, war so die berühmteste, die gesagt hat, sie sei diese Anastasia.
[469] Auch da hat man posthum mit Gentest herausgefunden.
[470] Nein, war sie nicht.
[471] Also die Hochstapler in Zukunft werden es schwerer haben.
[472] Ich finde es ein bisschen schade, weil das immer als Kind ist, das sind immer so tolle Stoffe, um sich da reinzudenken, diese Geschichten.
[473] Ich finde auch diese Jagd auf das Monster von Loch Ness ist auch durch den Einsatz von diesen ganzen Techniken doch weniger spannend geworden.
[474] Die Entzauberung der Welt, nennt man das wohl.
[475] Aber du hast eben angedeutet, dass ja der König von Bayern, Ludwig ist es, glaube ich, zu dieser Zeit, der Oktoberfest Ludwig, wenn ihr euch an unsere Olympia -Folge erinnert, der glaubt ja daran.
[476] Und das ist ja in dieser Zeit das Entscheidende.
[477] Ja, ich weiß nicht, ob er daran glaubt, aber er unterhält auf jeden Fall das Gerücht, weil er hat Streit mit dem Haus von Baden und so lässt er nicht locker.
[478] Und alles, was die sozusagen am schlechten Licht dastehen lässt, das kann ihm nur recht sein.
[479] Wir erinnern uns ja noch kurze Erinnerungen daran.
[480] Das sind eben Zeiten, in denen man keine Kritik am Adel äußern kann.
[481] Natürlich sind die im Bürgertum nicht besonders beliebt.
[482] Aber über so eine Geschichte, ja, die verlieren da die Kinder und vielleicht haben sie es ausgetauscht und sind sich untereinander so spinnefeind.
[483] Solche Geschichten kann man natürlich sich...
[484] Und das ist ein bisschen Ersatz eigentlich für politische Debatten.
[485] Aber klar, wenn man sieht bei dem Jungen, okay, was ist da los?
[486] Man wollte ihn umbringen, er ist verletzt, er hat jetzt zwei Polizisten zu seinem Schutz.
[487] Das heizt natürlich die Gerüchte an.
[488] Gibt es denn niemanden, der daran zweifelt?
[489] Es ist ja schon auch irgendwie eine sehr weirde Geschichte, würden wir heute sagen.
[490] Doch ehrlich gesagt wird eigentlich von relativ früh nach dem Auftreten von Kaspar Hauser gibt es diese Faszination, aber es gibt eben auch die Zweifel.
[491] Und gerade diese Version des Attentats beim Mittagstisch wirft viele Fragen auf.
[492] Eine davon ist, warum rennt er also in den Keller auf der Flucht vor diesem Mörder und nicht hoch, wo die ganze Familie versammelt ist und wo man ihm ja geholfen hätte.
[493] Das ist unerklärlich und dann gibt es halt keinen einzigen Zeugen, der jemanden gesehen hat in dem Fall.
[494] Schon 1830 überschreibt ein Berliner Polizeirat namens Merker ein Büchlein, Kaspar Hauser, nicht unwahrscheinlich ein Betrüger.
[495] Nils, wir beide sprechen ja viel über Geschichte.
[496] In diesem Fall, um den es jetzt geht, da sind wir beide Zeitzeugen.
[497] Es gibt nämlich eine neue Podcast -Serie, die wir euch sehr ans Herz legen wollen.
[498] Land ohne Vater, die Opfer des NSU.
[499] Du erinnerst dich bestimmt an diese Mordserie, eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte.
[500] Ja, man war fürchterlich erschrocken, dass so etwas überhaupt möglich war, dass so eine rechtsextreme Terrorzelle über Jahre unerkannt morden konnte.
[501] Und es sind Fälle, die bis heute ganz große Fragen aufwerfen.
[502] Ja, eine Geschichte, die viel Schlagzeilen produziert hat, auch viele falsche Schlagzeilen.
[503] Was dabei aber oft zu kurz gekommen ist, ist die Perspektive der Opfer.
[504] Und genau diese Perspektive liefert der neue Podcast Land ohne Vater.
[505] Er erzählt nämlich die wahre Geschichte von Gamse und Semija, deren Väter vom sogenannten NSU ermordet worden sind.
[506] Absolute Höherempfehlung.
[507] Folge Land ohne Vater, die Opfer des NSU, überall wo es Podcasts gibt.
[508] Seit zwei Jahren schon ungefähr beschäftigt Kaspar Hauser und das Rätsel, dass seine Person umgibt die Leute in Deutschland, aber auch darüber hinaus.
[509] Einige halten ihn für den verschollenen Erbprinzen von Baden, also eine große Räuberpistole mit vertauschten Kindern und so weiter.
[510] Aber es gibt auch Zweifel, also die ersten sagen auch, naja, das ist doch alles irgendwie seltsam, der Typ ist doch ein Betrüger.
[511] Wie geht die Sache aus, Nils?
[512] Also Kaspar Hauser funktioniert wie so ein kultureller Magnet für alle möglichen interessanten Charaktere seiner Zeit, weil er selber so ein Unikum ist.
[513] Und eine Figur zum Beispiel, die in seinem Leben dann eine wichtige Rolle spielt, ist, du bist der große Anglophile von uns beiden.
[514] Und ein Adliger aus dem schönen England, der vierte Earl Stanhope.
[515] Ein Mann mit großem Vermögen und einer unerschöpflichen Neugier, leicht splinig, großer Reisender und natürlich total angezogen.
[516] Von der Figur von Kaspar Hauser reißt natürlich hin.
[517] Das erinnert mich an mein großes literarisches Idol Bruce Chatwin.
[518] Bruce Chatwin hat auch mal in Indien ganze Recherche gemacht über Wolfskinder.
[519] Also praktisch wie Mowgli im Dschungelbuch.
[520] Sowas, also das scheint irgendwie britische Reisende immer sehr zu interessieren, diese Geschichte.
[521] Als du gerade mein großes literarisches Idol gesagt hast und nicht Michel de Montaigne gefolgt ist, da hat es mich ein bisschen durchzuckt.
[522] Ja, ja.
[523] Okay.
[524] Du bist vielseitig aufgestellt.
[525] Absolut, ja genau.
[526] Two -Trick -Pony.
[527] Und er will sich natürlich unbedingt dann Kaspar Hauser auch einmal anschauen.
[528] Und das passiert im Mai 1831, da ist Kaspar Hauser schon 19.
[529] Und da lernt er auch Anselm Feuerbach kennen.
[530] Den Mentor und diesen Juristen, der auch ein Buch über Kaspar Hauser geschrieben hat.
[531] Genau.
[532] Und Stanhope steigt sofort ein und guckt, was kann ich da machen.
[533] Und er übernimmt die Pflegschaft für Hauser.
[534] Wendet wirklich viel Geld auf.
[535] Und Feuerbach bekommt die Vormundschaft für gesundheitliche und seelische Belange.
[536] Und sie lassen Hauser auch nochmal umziehen.
[537] Also diese Pflaster in Nürnberg wird auch langsam zu heiß.
[538] So kommt er ins schöne Ansbach.
[539] Alles von Stanhope bezahlt.
[540] Und Stanhope forscht er weiter nach.
[541] Und irgendwann, Hauser wird permanent getestet.
[542] Und hat auch schon entwickelt, wahrscheinlich auch schon so Strategien und Taktiken, um das Interesse an ihm auch aufrecht zu erhalten.
[543] Davon hängt er ja ab.
[544] Also solange er interessant bleibt, gibt es eben so reiche Gönner wie den Stanhope, der da für ihn Kostenlogie bezahlt.
[545] Er muss interessant bleiben.
[546] Ein bisschen wie so ein Reality -Star heutzutage.
[547] Ganz genau.
[548] Muss immer wieder das Neue kommen.
[549] Und dann kommen sie auf die Idee, ich mache es kurz, dass er vielleicht aus Ungarn stammen könnte.
[550] Weil Kaspar Hauser so tut, als würde er Ungarisch verstehen.
[551] Die Sprache erweckt sowas in ihm.
[552] Er reagiert darauf und sowas.
[553] Und dann denkt Stanhope und Feuerbach denken, er könnte jemand aus Ungarn sein.
[554] Da könnte sich Ungarn aufgehalten haben.
[555] Und diese Indizien sind relativ gut.
[556] Stanhope finanziert also so eine Expedition nach Ungarn.
[557] Da wird dann nachgeforscht, aber an der Sache ist nichts dran.
[558] Keine Spur von Kaspar Hauser.
[559] In Ungarn, wie gesagt, damals alles entwickelte Bürokratien.
[560] Man weiß eigentlich ungefähr, wo ein Kind fehlt und es fehlt keins.
[561] Stanhope bekommt so langsam Zweifel und irgendwann ...
[562] hat er so das Urteil gefällt, dass diese Geschichten alle nicht stimmen.
[563] Und er hatte Kaspar Hauser allerdings in Aussicht gestellt, dass er mal mitkommt nach England und da Leuten vorgestellt wird, aber daraus wird nichts.
[564] Und Stanhope zahlt zwar weiter, aber er will im Grunde nichts mehr mit ihm zu tun haben.
[565] Ist für Kaspar Hauser schon ein Rückschlag.
[566] Zweiter Rückschlag ist der Tod von seinem Mentor Anselm von Feuerbach, der zwar auch an den Hochadel geschrieben hatte und mit seiner Theorie Publik wurde, aber nicht mehr gesund ist.
[567] Aber jetzt sag ich nicht, dass der ermordet wird.
[568] Er selber auf seinem Sterbebett hat den Verracht geäußert, dass er vergiftet worden ist vom Haus von Baden oder irgendwelchen Mietlingen.
[569] Aber er hatte schon einen Schlaganfall vorher und seine Familie geht eher davon aus, dass er im Schlaganfall zum Opfer gefallen ist.
[570] Das heißt, zu diesem Zeitpunkt, Hauser ist jetzt noch nicht mittellos, aber er hat seinen großen Mentor verloren.
[571] Er ist jetzt...
[572] glaube ich, nach den Standards der Zeit noch nicht volljährig, aber für uns, er ist jetzt schon auch ein junger Mann.
[573] Das ist ja eigentlich eine ziemlich beunruhigende Situation, in der er da steckt.
[574] Ja, wo man sagen muss, dass sich Stanhope und Feuerbach und all die anderen sich gut um ihn gekümmert haben.
[575] Also er kann jetzt, es geht in der Gesellschaft von Ansbach eben ein und aus, jeder kennt ihn und er kann gut schreiben.
[576] Und Feuerbach hat ihm am Gericht eine Stelle als Schreiber und Kopist verschafft.
[577] Das heißt, er könnte auch seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen, aber ...
[578] ist natürlich langweilig.
[579] Also diese große Babyknut -mäßige Aufmerksamkeit, die bleibt eben aus.
[580] Ich finde ja diese Abzweigung, die sich da öffnet, gar nicht so schlecht.
[581] Man will ja eigentlich gar nicht historisch bedeutsam sein.
[582] Das ist sehr unangenehm oder kann sich als sehr unangenehm erweisen.
[583] Du vielleicht nicht, aber vielleicht wird dein Name dann auch nicht in Jahrhunderten nochmal in Podcasts erwähnt.
[584] Wer weiß.
[585] Also Kaspar Hauser hat das geschafft.
[586] Und da kommen wir jetzt zu der Szene, die dich als Kind so gegruselt hat, die auch wirklich so beschaffen, so inszeniert ist, dass sie einen wirklich gruseln kann.
[587] Das geschieht im 14.
[588] Dezember 1833, wo es ja schon früh dunkel wird.
[589] Und da begibt sich Kaspar Hauser in dem Park von Ansbach, Hofgarten genannt.
[590] Und da ist er verabredet mit dem Gärtner des Hofgartens, trifft ihn aber nicht.
[591] Sie wollten sich einen Brunnen anschauen, den artesischen Brunnen dort.
[592] Und Kaspar Hauser findet niemanden, doch er wird erwartet.
[593] Und zwar von einem maskierten Mann.
[594] Und der überreicht ihm einen Beutel.
[595] In dem Beutel ist auch ein Zettel mit einem rätselhaften Text in Spiegelschrift, den man erst entziffern muss.
[596] Darauf steht, Hauser wird es euch ganz genau erzählen können, wie ich aussehe und woher ich bin.
[597] Den Hauser die Mühe zu ersparen, will ich es euch selber sagen, woher ich komme.
[598] Punkt, Punkt, Punkt der bayerischen Grenze.
[599] Punkt, Punkt am Fluss.
[600] Ich will euch sogar den Namen sagen.
[601] M .L .Ö.
[602] Verstehe ich das richtig?
[603] Also da ist auch in dem Original Punkt, Punkt, Punkt.
[604] Das hast du jetzt nicht weggelassen, um die Spannung zu erhöhen.
[605] Also er hat gesagt, ich will es euch selber sagen und hat es dann nicht gesagt.
[606] Genau.
[607] Er liefert so Indizien.
[608] Eine Spurensuche, eine Schnitzeljagd.
[609] Während Hauser diesen Zettel entziffert und mit dem Fremden im Hofgarten...
[610] Sticht der Mann zu und verletzt Hauser am Bauch.
[611] Das geht durch das Hemd und das Unterhemd.
[612] Kaspar Hauser trägt, obwohl es im Dezember ist, keinen Mantel.
[613] Und er überlebt erst mal diesen Stich, kann das auch alles erzählen.
[614] Aber er stirbt dann wenige Tage später an den Folgen dieser Verletzung.
[615] Das löst natürlich ein Entsetzen wieder in ganz Europa aus.
[616] Damals wird Kaspar Hauser auch das Kind Europas genannt, weil er eben keine Eltern hat.
[617] Und sich aber alle so sehr um ihn sorgen, der ganze aufgeklärte Bürgertum.
[618] Und der Fall zieht weite Kreise.
[619] Was ist da passiert?
[620] Wer war das?
[621] Und dieser Fall ist absolut rätselhaft, weil man die Tatwaffe zum Beispiel nicht findet.
[622] Das heißt, man weiß nicht, was es war, wer es war.
[623] Man wird bis heute im Grunde rätseln, was da genau passiert ist.
[624] Das ist ein Grabstein.
[625] Er trägt auch eine ganz berühmte Inschrift auf Latein und zu Deutsch heißt es, hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt über die Herkunft, geheimnisvoll der Tod.
[626] Ja, ich habe diese Geschichte damals in diesem Buch von meinen Großeltern gelesen und ich glaube, dass da auch eine Abbildung war von dem...
[627] Kleidern zu sehen war, die Kaspar Hauser zum Zeitpunkt seiner Ermordung getragen hat.
[628] Und das hat in mir so eine ganz tiefe Furcht ausgelöst.
[629] Also, dass man irgendwo hingeht und plötzlich jemand einem auflauert und natürlich dann mit dem Messer zusticht.
[630] Und ich hatte wirklich Angst vor dem Mörder von Kaspar Hauser.
[631] Jaja, er ist auch nicht gefasst unter Umständen.
[632] Der hätte auch in Paderborn warten können.
[633] Wäre schon alt gewesen, aber.
[634] Es war jetzt nicht so ganz logisch, aber ich fand das wirklich furchterringend.
[635] Diese Szene ist natürlich so konstruiert, dass es ein offenes Ende ist, dieses Lebens.
[636] Und das ist eins, das die Leute bis heute nicht loslässt.
[637] Wenn jemand bei der Schlacht fällt oder wenn irgendwas passiert, meistens sind ja solche Kapitel dann irgendwann auch abgeschlossen.
[638] Aber Kasper Hauser schafft es tatsächlich, Open End zu sterben.
[639] Wie sagte Marcel Reichernitz, geht der Vorhang zu und alle Fragen offen.
[640] Dieser Fall von Kaspar Hauser, ab dann, ab dem Zeitpunkt seines Todes, ist es nochmal richtig losgegangen.
[641] Die Fülle der Künstlerinnen und Künstler, die sich mit dem Fall beschäftigt haben, die passt gar nicht auf eine Seite.
[642] Paul Verlaine hat ein ganz berühmtes Gedicht über Gaspar geschrieben.
[643] Reinhard May hat einen Song geschrieben.
[644] Sogar unsere Freunde, die Genghis Khan.
[645] Den muss ich mal nachhören, den kenne ich nicht.
[646] Und Genghis Khan hast du auch gesagt.
[647] Ja, Texte Bernd Meinunger.
[648] Kennen wir ja noch aus der Genghis Khan -Folge, also ihre historischen Stoffe.
[649] Peter Handke hat einen Monolog geschrieben, Kaspar Hauser.
[650] Es gibt den Werner Herzog -Film, Jeder für sich und Gott gegen alle, heißt er.
[651] Das ist die Kaspar Hauser Story.
[652] Was würdest du sagen, was ist der Kern dieser Faszination?
[653] Also, dass es jetzt ein ungelöster Mordfall ist, also ein Cold Case, das kann ja nur ein Teil der Faszination sein.
[654] Also da muss ja noch mehr hinter stecken.
[655] Ja, man sah in ihm also zwei Sachen.
[656] Einmal eben dieses reine unschuldige Opfer.
[657] Ein Opfer von bösen Menschen, wo er selber doch niemandem was zu Leide getan hat.
[658] Und so ein Opfer der Zivilisation, der Gesellschaft.
[659] Gesellschaft kann Seelen verformen.
[660] Das ist auch ein großes Thema in der Pädagogik.
[661] So, was tut man Kindern an?
[662] Was brauchen Kinder?
[663] Man sieht auch, was können Kinder alles überleben?
[664] Wie stark sind sie nach solchen Erfahrungen?
[665] Danach hat man geschaut nach den Schwächen, aber eben auch, ja, es ist auch so eine Schuld.
[666] Es sucht nach den perversen Effekten einer in sich ruhenden bürgerlichen Gesellschaft.
[667] Und jeder, der sich dann als Künstler verstand oder als Filmemacher oder als Niedermacher hat gesagt, ich bin ja auch so ein Außenseiter für viele in so einer Bourgeoisie und viele identifizierten sich damit.
[668] Weil du Werner Herzog erwähnt hast, wenn ich mich richtig erinnere, hat er die Hauptrolle in seinem Film von einem ziemlich unbekannten Straßenmusiker spielen lassen.
[669] Also er hat sozusagen die rätselhafte Figur mit einer rätselhaften Figur besetzt, um das besonders deutlich zu machen.
[670] Eine ganz tolle Besetzung, wenn du dir den Film einmal anguckst.
[671] Werner Herzog hat so gewisse Längen, das ist eine ganz andere Erzählung.
[672] Kultur, als wir sie heute kennen, aber dieser Hauptdarsteller hat in der Tat ein sehr expressives, fast komödiantisches Gesicht, reagiert unheimlich stark und kann diese Faszination, die Kaspar Hauser auf seine Zeitgenossen sehr gut rüberbringen.
[673] So, die Geschichte ist jetzt eigentlich vorbei.
[674] Wir sind schon beim kulturellen Nachhall, aber so richtig zu Ende sind wir noch nicht, weil ich will natürlich von dir wissen, was ist deine Theorie?
[675] Also, wer war Kaspar Hauser?
[676] Wer war der Mörder?
[677] Wer steckt dahinter?
[678] So, Sherlock Minkma, übernehmen Sie.
[679] Ja, es wurde wirklich jeder Stein umgedreht in dieser Geschichte und auch viele Zeitgenossen sind eigentlich auch nur noch bekannt und sind nur noch in aller Munde.
[680] Das Haus von Baden, Anselm Feuerbach, Lord Stanhope kennen wir nur noch durch Kaspar Hauser, durch diesen Nobody.
[681] Das ist schon unheimlich interessant.
[682] Was ich selten finde, was es bestimmt irgendwo gibt, ich habe nicht alles über Kaspar Hauser gelesen, müsste man ein Freisemester nehmen.
[683] Aber was man selten findet, ist die Theorie, dass vielleicht diese Briefe einfach die Wahrheit sagen.
[684] An diese Briefe hat kein Mensch geglaubt.
[685] Sie sind auch nur im Faximile als Abschriften erhalten leider.
[686] Aber dass er tatsächlich der Sohn eines solchen Soldaten, eines berittenen Soldaten, der Coverley sein könnte, der gefallen ist, dessen Mutter ihn an ihm Pflege gegeben hat.
[687] Vielleicht an so einen Pferdemeister, der sich um die Pferde dort gekümmert hat.
[688] Auf jeden Fall eine Vertrauensperson der Familie.
[689] Mutter ist vielleicht selbst ums Leben gekommen oder ist ausgewandert.
[690] Dann hat sich dieser Mann ...
[691] vielleicht lange um Kaspar gekümmert, dass ich dann irgendwann gedacht habe, ich komme ja auch hier juristisch in Schwierigkeiten, ich kann nicht einfach so ein Kind behalten.
[692] Hat dann gesagt, ich lasse das lieber undercover.
[693] Und hat ihn in der Tat wahrscheinlich abseits von seiner eigenen Familie, von anderen Kindern, von Schule und so weiter gehalten.
[694] Aber Kaspar Hauser war sicher nicht angekettet die ganze Zeit.
[695] Er war nicht in einem Kerker die ganze Zeit.
[696] Das hätte er nicht überlebt.
[697] Aber er kann in der Tat von der Gesellschaft von einem Mann gepflegt worden sein, der das gemacht hat für einen Gefallenen.
[698] Das ist sehr gut möglich.
[699] Ja, die napoleonischen Kriege sind ja noch nicht lange her.
[700] Also es gibt ja viele Kriegsweisen in dieser Zeit.
[701] Okay, das kann ich nachvollziehen.
[702] Also Kaspar Hauser wollte wirklich einfach nur ein solcher Reiter werden, wie sein Vater einer gewesen ist.
[703] Aber das erklärt ja noch nicht seinen Tod.
[704] Also wer ist der Mörder?
[705] Sowohl bei dem Attentat im Haus des Lehrers als auch bei seinem letztlichen finalen Attentat.
[706] kommen alle Profis auf denselben Täter, nämlich ihn selbst.
[707] Also er hat sich diese Wunden selbst zugefügt.
[708] Im Hofgarten von Ansbach war es vermutlich auch ein Unfall.
[709] Also er wollte nochmal nachlegen, er wollte nochmal sagen, ich bin wirklich bedeutsam, kümmert euch um mich, schaut her, wie es mir geht, aber die Wunde ist wahrscheinlich zu tief geraten.
[710] Man hat dann Jahre später so einen Dolch gefunden, der es gewesen sein könnte, hatte den irgendwo fixiert und hat sich dann so draufgestürzt, wollte sich vielleicht nur so ritzen, aber das trang dann starker ein.
[711] Seine Vormunde haben gesagt, dass er in den Tagen vorher sehr ruhig gewesen sei und überhaupt gar keine Absichten hatte zu sterben.
[712] Also er hat nichts Suzydales, hat immer wieder gesagt, um Gottes Willen, wie kann man sich nur sowas antun?
[713] Aber er wollte natürlich schon die Aufmerksamkeit und andere Spuren gibt es nicht von irgendeinem anderen Menschen.
[714] Wir haben ja auch erfahren, dass er Schreiber und Kopist gewesen sei.
[715] Das heißt, Spiegelschrift hat er gekonnt und auch diesen Zettel wird er selbst geschrieben haben.
[716] Ja, Spiegelschrift, das klingt natürlich auch nach so einem kleinen Trick, um sich besonders interessant zu machen oder dieses Schriftstück besonders interessant zu machen.
[717] Ja, wirklich sehr spannende Geschichte.
[718] Ich frage mich gerade, was Kaspar Hauser sagen würde, wenn er erfahren würde, dass wir gerade eine knappe Stunde über ihn gesprochen haben.
[719] In einer ganz anderen Welt, 200 Jahre später.
[720] Also das Ziel, bekannt zu sein, bekannt zu bleiben, das hat er erreicht.
[721] Aber er ist nicht ein solcher Reiter geworden, wie sein Vater.
[722] Nein.
[723] Er ist ein historisches Rätsel geworden und auch geblieben.
[724] Ich persönlich danke dir sehr herzlich, Nils, weil du mich mit deiner Theorie auch vor dieser Kindheitsangst erlöst hast, weil ich muss keine Angst vor dem Mörder von Kaspar Hauser haben, wenn es den gar nicht gegeben hat.
[725] Also, vielen Dank.
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[728] Das war's mit dieser Folge von Was bisher geschah.
[729] Die Quellen, die wir dafür verwendet haben, findest du in den Shownotes.
[730] Wenn du Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag hast, schreib uns gerne auf Instagram at wasbishergeschah .podcast.
[731] Was bisher geschah ist eine Produktion von Wondery und OnePod Wonder.
[732] Wir sind Joachim Telgenbüscher und Nils Minkmar.
[733] Für OnePod Wonder Redaktion Lukas Sam Schreiber, Sounddesign und Video Vincent Oliver und Tim Kleikamp.
[734] Für Wondery Series Producer Simone Terbrack.
[735] Executive Producer Tim Kehl, Morgan Jones und Marshall Louis.